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Wie weiter nach der Sozialen Stadt?

Ein Giesinger Gespräch über die Zukunft der Kooperation im Stadtteil

„Giesing gut vernetzt gestalten“ lautete der Titel des 6. Giesinger Gespräches, das am 24. September 2019 im Stadtbereichszentrum Ost der Münchner Volkshochschule (MVHS) im alten St.-Martin-Spital über die Bühne ging.

Unter der Moderation von MVHS-Stadtbereichs­leiter Winfried Eckardt diskutierten die Vorsitzende des Bezirks­ausschusses (BA) 17 Obergiesing-Fasangarten Carmen Dullinger-Oßwald, Stadtbaurätin Prof. Dr. (I) Elisabeth Merk und SPD-Stadtrat Christian Vorländer. Abgesagt hatten der Vorsitzende des BA 18 Untergiesing­Harlaching Clemens Baumgärtner (seit März 2019 auch städtischer Wirtschaftsreferent und in dieser Funktion am Veranstaltungstermin als oberster Wiesn-Chef unabkömmlich) und Sozialreferentin Dorothee Schiwy, die terminlich verhindert war, aber leider auch keine Vertretung des Sozialreferates benennen konnte. Nicht auf die Einladung reagiert hatte die CSU-Stadtratsfraktion.

Was passiert danach?

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Zukunft der mustergültigen Vernetzung, die im Stadtviertel nicht zuletzt aufgrund der Städtebauförderung von Bund und Ländern im Programm  „Soziale Stadt“, das seit 2005 in Teilen Giesings Anwendung findet, erreicht wurde. Die Unterstützung aus der Städtebauförderung wird Ende 2020 auslaufen. Was passiert danach? Insbesondere das dann bevorstehende Ende des Stadtteilmanagements der Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung und des Stadtteilladens an der Tegernseer Landstraße als Vernetzungsdrehscheibe werden im Viertel kritisch gesehen.

Ein Antrag des BA 17, unterstützt durch den BA 18 und Stellungnahmen der Koordinierungsgruppe ­Giesing, der Kirchen, der Giesinger Schulleitungsrunde sowie von REGSAM zur Fortführung dieser Elemente z.B. im ­Rahmen eines Nachbarschaftstreffs, wurden durch die zuständigen städtischen Referate (Sozialreferat und ­Referat für Stadtplanung und Bauordnung) im Frühjahr 2019 vorerst abgelehnt.

Die Pressestelle des Sozialreferates ­äußerte  sich im Nachgang zu der Veranstaltung schriftlich dazu: „Die Räume des Stadtteilladens sind für einen Nachbarschafts­treff leider nicht geeignet, da sie nicht barrierefrei sind. Das Sozialreferat ist sich aber der Wichtig­keit von Vernetzung vor Ort bewusst und unterstützt deshalb die verschiedenen Foren. Das Sozialreferat wird in Abstimmung mit den Akteuren der Sozialen Stadt nach Alternativen suchen.“

Neue Wege finden

Auch beim Giesinger Gespräch betont Stadtbaurätin Merk, dass sie keine Möglichkeit sehe, das Stadtteilmanagement auf der bisherigen Fördergrundlage im Rahmen der Städtebauförderung mit Bundes- und Landsmitteln fortzusetzen. Sie könne sich aber sehr wohl vorstellen, eine andere Form der Förderung dieser Stadtteilaktivitäten zu unterstützen. Sinnvoll erschiene ihr das allemal, denn auch sie erkenne die Verantwortung, die viele der an der Sozialen Stadt beteiligten Bürgerinnen­ und Bürger (sei es in der Koordinierungsgruppe, in Projekten oder Arbeitskreisen) für die gedeihliche Entwicklung und das soziale Miteinander in Giesing übernommen haben. Sicherlich sei dies auch ein ­Ergebnis der Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit, die in den ­letzten Jahren von den „Organen“ der ­Sozialen Stadt Giesing (Stadtteilmanagement, Stadtteilladen, Koordinierungsgruppe und Verfügungsfonds) geleistet wurde. Ehrenamt fürs Viertel brauche einen professionellen Rahmen, um auch die vielen kleinen Projekte, die für das Erscheinungsbild und das soziale Miteinander im Stadtquartier wichtig sind, nicht aus dem Blick zu verlieren. Dies sei insbesondere in einer Großstadt wie ­München wichtig, die nicht – wie z.B. Berlin – über ­eigene Bezirks­verwaltungen verfügt, sondern auf eine gute Zusammenarbeit mit Bezirksausschüssen und lokalen Initiativen angewiesen ist, um über gesamt­städtische Großprojekte die lokalen Lebenswelten nicht aus dem Blick zu verlieren. Insofern könne sie der Idee einer stadtweiten Struktur für Stadtteilmanagements durchaus einiges abgewinnen. Dies ginge aber nicht ohne eine ­Beteiligung auch anderer einschlägiger Referate (z.B. dem Sozialreferat mit seiner quartiersbezogenen Bewohner­arbeit, dem Kulturreferat mit der Stadtteilkultur oder dem Referat für Bildung und Sport mit der integrativen Kraft des Sports) und vor allem nicht ohne die politischen Mehrheiten im Stadtrat.

Mitwirkung im Stadtteil stärken

An dieser Stelle kommt SPD-Stadtrat Christian Vorländer ins Spiel, der als Person zwar nur 1/80 des Münchner Stadtrates repräsentiert, andererseits aber als gut vernetzter stellvertretender Vorsitzender einer der „Regierungsfraktionen“ einen maßgeblichen Einfluss auf Entscheidungen für oder gegen eine erweiterte Vernetzungs- und Mitwirkungsstruktur in den Stadtvierteln ­haben dürfte. Insofern hat sein Wort Gewicht, wenn er die Vernetzungsleistungen der Sozialen Stadt, insbesondere von Stadtteilmanagement und -laden in Giesing als „unbedingt erhaltenswert“ lobt. Auf Nachfrage der BA-Vorsitzenden Carmen Dullinger-Oßwald sagte er zudem, er sehe eine klare Stadtratsmehrheit für Stadtteilbüros in der ganzen Stadt – zumindest in der noch bis März gewählten Zusammensetzung des Rates. 25 Stadtteilbüros, die dezentrale Mitwirkungs- und Entscheidungsstrukturen stärken könnten, hielte er in einer 1,5 Mio.-Stadt für absolut angemessen.

Die Voraussetzungen scheinen also gut, für Giesing – und darüber hinaus – Strukturen für eine ­professionelle­ Organisation ehrenamtlichen Stadtteilengagements zu erhalten. Zumal auch BA-Vorsitzende Dullinger-­Oßwald betont, dass das erfreuliche Niveau sozialen und kulturellen Engagements im Stadtteil nicht zuletzt der 14jährigen Präsenz des Projekts „Soziale Stadt“ und dem unkomplizierten Austausch vieler Stadtteilakteure in der ­Koordinierungsgruppe Giesing zu verdanken sei.

Viele Beiträge aus dem Publikum machen deutlich, dass eine stadtbezirksübergreifende Struktur, wie das ­Sanierungsgebiet „Tegernseer Landstraße / Chiemgau­straße“, große Chancen bietet, die tatsächlichen Lebens- und Bewegungsräume der Menschen in den Blick zu nehmen, die sich eben nicht an Stadtbezirksgrenzen orientieren. Trotzdem sieht z.B. Seniorenbeirätin Irmgard Nies in der Überwindung des sprichwörtlichen Grabens zwischen Obergiesing und Untergiesing-Harlaching nicht nur baulich, sondern auch bewusstseinsmäßig noch eine große Aufgabe für die nächsten Jahre.

Verantwortung für den Stadtteil übernehmen

Stadtbaurätin Merk nahm dies zum Anlass, nochmals auf die Bedeutung der kleinen Projekte hinzuweisen. Diese würden bei den großen Maßnahmen, die der Stadtrat bei Siedlungsentwicklung, Verkehr und Infrastruktur auf dem Schirm habe, oftmals vernachlässigt. Zugleich seien diese aber für die Zufriedenheit der Menschen vor Ort entscheidend. In diesem Sinne plädiert sie entschieden für geeignete Nachfolgestrukturen für ein Stadtteilmanagement und nennt u.a. die Genossenschaft für Quartiersorganisation (GeQo e.G.), die unlängst im neu entstehenden Prinz-Eugen-Park in Oberföhring gegründet wurde und von der Stadt gefördert werde, als vorbildliches Beispiel.

Deutlich wird in der Diskussion auch, wie weit fortgeschritten die Vernetzung und das Verantwortungsbewusstsein vieler „alter“ (Kirche, Schule, VHS, Caritas) und „neuer“ Einrichtungen (Pöllat-Pavillon, Grünspitz, Initiative Heimat Giesing) in Giesing bereits sind und die Bereitschaft, für die zukunftsfähige Entwicklung des Quartiers eine Rolle zu übernehmen.

Carmen Dullinger-Oßwald betont in ihrem Schlusswort noch, wie hilfreich der kurze Weg zur Stadtverwaltung im Rahmen des Städtebauförderungsprojektes Soziale Stadt sei und die Sorge, künftig selbst als BA-­Vorsitzende einen sehr viel schwerfälligeren Weg durch die Institutionen nehmen zu müssen.

Die Vehemenz, mit der sich sowohl Stadtrat ­Vorländer als auch Stadtbaurätin Merk für durchlässigere Kommunikationsstrukturen von der lokalen Ebene in Stadtverwaltung und –politik aussprachen, lässt hoffen, dass kluge Anträge im Stadtrat Gehör finden könnten und mahnt gleichzeitig zur Eile: am 15. März 2020 werden die kommunalpolitischen Karten neu gemischt.

Winfried Eckardt, MVHS – Stadtbereichsleiter Ost

Weitere Informationen

Das nächste Giesinger Gespräch findet am 21. Juli 2020 statt und wird sich ­sozialen Notlagen und dem sozialen Steuerungsbedarf links und rechts des „großen (McGraw-) Grabens“ widmen.