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Darf man im Park stinken?

Dokumentation der Giesinger Gespräche "Platz da! – Freiflächen und öffentlicher Raum in Giesing.“

Wem gehört der öffentliche Raum? Wie soll er genutzt und gestaltet werden? Wie viel Fläche soll es für Autos, Radelnde und Spazierende geben? Wie viel und welche Flächen für Gesunde und welche für weniger­ Fitte und Beeinträchtigte? Wie viel für Kinder, für ­Jugendliche, für Familien, für „Best-Ager“ und Alte? ­Wollen wir in Parks und Plätzen nur saubere und gepflegte Menschen oder finden wir auch eine Ecke für die, die – ­sagen wir – schadhaft und struppig wirken und vielleicht auch streng riechen? Sind unsere Parks und Plätze ­Begegnungsräume für Arme und Reiche? Wie kommen Bayern und Zuagroaste in Grünanlagen und Freiflächen miteinander klar? Wie Laute und eher Leise? Wie Kinder, Sporttreibende und Hundebesitzende? Dienen Parks und Grün­flächen mehr der Erholung oder sind es die idealen Feierflächen? Wie kann man die unterschiedlichen Nutzungswünsche gestalterisch unter einen oder mehrere Hüte bringen? Wieviel Kreativität braucht es, um die Interessen von Nutzenden und Anwohnenden in Einklang zu bringen? Wie sicher dürfen wir sein, dass vorhandene Grün­flächen erhalten bleiben? Wie sehen die Quartiersplätze der Zukunft aus und wie geht es uns eigentlich mit unseren Plätzen, Parks und Grünanlagen in Giesing?

Um diesen Fragenkomplex drehten sich die ­Giesinger Gespräche im Februar 2019 in der Münchner Volkshochschule. Unter dem Motto „Platz da! – Freiflächen und öffentlicher Raum in Giesing.“ diskutierten auf dem Podium Wolfgang Geiselbrecht (Bezirks­ausschuss 18, Bündnis 90 - Die Grünen), Birgit Knoblach (Bezirks­ausschuss 17, SPD), Gülseren Demirel (Bündnis 90 - Die Grünen, MdL), Silvia Gonzalez (Green City e.V.), Klaus Bäumler (Münchner ­Forum), Florian Hochstätter (Baureferat, Leitung Gartenbau) und Ulrich ­Riedel ­(Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Grünplanung).

Wie entsteht eine Freifläche?

Ulrich Riedel und Florian Hochstätter erläuterten die Arbeitsteilung zwischen den städtischen ­Referaten bei der Freiflächenplanung. Grob gesagt ­obliege dem Planungs­referat die strategische Grünplanung im Rahmen von Flächennutzungs-, Bebauungs- und Frei­flächen­planung sowie großflächigen Sanierungsmaßnahmen. Es lege also fest, wo, welche Art der öffentlichen Fläche sein solle. Das Baureferat Gartenbau hingegen setzt die Planungen in gebautes, nutzbares, und auch pflegeleichtes Grün um. Dabei führe die notwendige Berücksichtigung u.a. von Klima- und Artenschutz, ebenso wie das Bemühen um eine umfassende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Planung dazu, dass jedes Grün­planungsprojekt zu einer Herausforderung werde. Florian Hochstätter verdeutlichte dies anhand der schrittweisen Neugestaltung des Weißenseeparks – die in diesem Jahr zum Abschluss kommen solle – und an dem Ziel, einen Verkehrsknotenpunkt wie den Tegernseer Platz mit mehr Aufenthaltsqualität auszustatten.

Wolfgang Geiselbrecht betonte, dass die Grünqualitäten im 18. Stadtbezirk sehr ungleich verteilt seien: während etwa die Isarauen als eines wichtigsten Nah­erholungsgebiete gelte und Harlaching großräumige Quartiersplätze und private Grünflächen habe, gebe es in Untergiesing Luft nach oben, so etwa rund um den ­Wetterstein- oder Candidplatz. In diesem Sinne äußerte sich auch Brar Braren (Mitglied BA 18) aus dem Publikum, der sich über die Hürden im Behörden- und Institutionenwirrwarr zwischen KVR, MVG und Deutscher Bahn bei der Freiraum-Aufwertung einer ehemaligen Bushaltestelle unter der Bahnbrücke am Kolumbusplatz beklagte. Klaus Bäumler empfahl: "Nutzen Sie Ihr Recht: Gemäß Satzung entscheiden die Bezirks­ausschüsse über die Entwidmung von Straßen."

Nutzung aushandeln

Für den 17. Stadtbezirk wies Birgit Knoblach darauf hin, dass in einem verdichteten Stadtviertel wie Obergiesing Konflikte bei der Nutzung des öffentlichen Grüns nicht ausbleiben könnten. Als Beispiel wurde der ehemalige Konflikt am Walchenseeplatz zwischen Hundebesitzenden und der restlichen Bevölkerung genannt. Auch der Geräuschpegel spielender Kinder und Jugendlicher beeinträchtige häufig das Ruhebedürfnis der Nachbarschaft. Großräumige Grünflächen, wie etwa der Perlacher Forst seien für Kinder, Jugendliche und Familien nicht für die alltägliche Freizeitgestaltung erreichbar. Zumal Freizeitnutzung hier oftmals in Konflikt mit dem Naturschutz gerate.

Wohnortnahe Grünflächen seien hingegen oft in einem Zustand, wie er vielleicht der Bedürfnislage der 60er Jahre entspreche. Unattraktive Spielplätze, Rasenflächen, die wegen Verbotsschildern oder Hundehaufen nicht zu betreten seien, sowie verwahrloste Randbegrünung. Beispielhaft wurde hier der Scharfreiterplatz genannt. Begrüßenswerte Aktivitäten zur zeitgemäßen, nutzerfreundlichen Ertüchtigung solcher Flächen, wie sie durchaus vom Baureferat Gartenbau mit Unterstützung der Förderkapazitäten des Bund-Länder Städtebauförderungsprogamms Soziale Stadt in Giesing betrieben wurden und werden, verschlängen jedoch oftmals viel Zeit. Dies könne dazu führen, dass z.B. die Kinder und Jugendlichen, die man zur Gestaltung mit herangezogen habe, längst selber Eltern sein könnten, wenn die Maßnahmen umgesetzt werden.

Aus wenig Platz lässt sich viel machen

Eine ganz besondere Grünanlage in Giesing mit modellhafter Ausstrahlung sei der Giesinger Grünspitz. Die Fläche war vor dem 2. Weltkrieg ein Biergarten und wurde bis 2014 durch einen Gebrauchtwagen­händler genutzt. Im Rahmen der Sozialen Stadt Giesing unter der Regie von Green City e.V. ist sie seither zu einem Ort für soziales und ökologisches Miteinander geworden. U.a. mit Urban Gardening, einer Kegelbahn, einer Bühne für Open-Air-Veranstaltungen und mit vielen Mitsprachemöglichkeiten. Unlängst ist der Nutzungsvertrag um weitere zwei Jahre verlängert worden. Das Konzept sieht u.a. den Betrieb eines Kiosks vor, der allerdings eine Besonderheit hat: Man kann auf dem Grünspitz etwas konsumieren, man muss es aber nicht, denn hier darf man nicht nur seine Speisen, sondern auch seine Getränke selber mitbringen. Und dabei haben sich die Kiosk-­Betreiber auch noch verpflichtet, 10% ihrer Gewinne in Kulturprojekte auf dem Grünspitz zu investieren und sich um Ordnung und Sauberkeit auf der Fläche zu kümmern. Ein kleiner Regel-Katalog soll dabei helfen, so dass der Kiosk-Betrieb nicht mehr, sondern weniger Konflikte mit der Nachbarschaft nach sich ziehen soll. Silvia Gonzalez, Leiterin des Bereichs Stadtgestaltung bei Green City e.V. sieht hierin die Chance, einen nicht-kommerziellen Raum für soziale Begegnung und urbane Ökologie mitten in der Stadt zu schaffen.

Auch die direkt gewählte Landtagsabgeordnete für Giesing und den Münchner Südosten, Gülseren Demirel sieht den Grünspitz als beispielgebend für die sozial­integrative Bedeutung, die Grünflächen in einer dichter werdenden Stadt haben. Sie würden immer mehr zur Erweiterung der eigenen Wohnung – umso mehr, da sich viele Menschen eine geräumige Wohnung mit Balkon nicht mehr leisten könnten. Wo die Gefahr von Konflikten lauere, bestehe aber auch die Chance auf soziale Begegnungen, die sich ansonsten allenfalls noch – oft mit Häme – in den Sozialen Medien abspiele. Und wenn es wirklich „zofft“, habe sich AKIM (die allparteiliche Konfliktmoderation in München) als Instrument bewährt, das wechselseitiges Verständnis fördere.

Mehr Wohnungen heißt nicht weniger Grün

Klaus Bäumler, langjähriger Vorsitzender des BA 3 Maxvorstadt und Leiter des Arbeitskreises Öffentliches Grün des Münchner Forums, war bestens vorbereitet; mit einer Liste aller Grünanlagen in den Stadtbezirken 17 / 18 sowie mit detaillierten Kenntnissen der städtischen Grünanlagensatzung und ihrer bis 1839 zurückreichenden Geschichte. Er wolle zeigen, dass in der dichter werdenden Stadt, der Kampf selbst um kleinste Grünflächen dem Erhalt der Lebensqualität diene. Öffentlich nutzbare Grünanlagen würden die Identifikation der Menschen mit ihrem Wohnumfeld stärken und damit ihre Bereitschaft, sich für die Kommune zu engagieren. Daher dürfe die Bekämpfung der Wohnungsnot nicht zu Lasten der Grünflächen gehen.

In der Diskussion mit dem Publikum ging es um viele Details hinsichtlich der Nutzbarkeit der Grünflächen. Florian Hochstätter zeigte dabei deutlich die Grenzen auf, die auch einer wohlhabenden Stadt wie München gesetzt seien: „Wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Stadt 2.500 ha öffentliches Grün zu pflegen hat, wird klar, dass aus praktischen Erwägungen nicht jeder Bürgerwunsch umgesetzt werden kann.“ Wie aufwändig, aber auch lohnend es sein könne in einen intensiven Dialog mit der Bürgerschaft zu gehen, machte Ulrich Riedel anhand des Giesinger Projekts „Bank und Baum“ deutlich. Auch wenn am Ende eines zweijährigen Beteiligungsprozesses es „nur“ möglich gewesen sei elf neue Bänke aufzustellen und einen Baum zu pflanzen, würden diese von den Bürgerinnen und Bürgern stärker als anderswo als ihr Baum und ihre Bank wahrgenommen.

Neben dem Wohnungsbau hat sich im Verlauf der Diskussion das Auto als größter Flächenkonkurrent zum öffentlichen Grün herauskristallisiert: Egal, ob es um mögliche Flächenentsiegelungen an Wetterstein- und Candidplatz, um das Projekt saisonale Fußgängerzone am Alpenplatz, die künftige Gestaltung des Tegernseer Platzes oder die Verkehrserschließung der Europäischen Schule im Fasangarten gehe: Überall sei es ein hartes Ringen um jeden Parkplatz und jede Fahrspur, um etwas mehr Aufenthaltsqualität in den Öffentlichen Raum zu bringen.

Treffender als Klaus Bäumler es tat, kann man den Kern der Diskussion kaum zusammenfassen: „Am wichtigsten sind die Menschen, die die Grünanlagen nutzen und schätzen, um nicht zu sagen, die sie standhaft in Besitz nehmen.“

Winfried Eckardt, Münchner Volkshochschule

Auf dem Podium saßen v.l.n.r.: Wolfgang Geiselbrecht (Bezirks­ausschuss 18, Bündnis 90 – Die Grünen, nicht im Bild), Birgit ­Knoblach (Bezirks­ausschuss 17, SPD), Gülseren Demirel (Bündnis 90 – Die Grünen, MdL), Silvia Gonzalez (Green City e.V.), Klaus ­Bäumler­­ (Münchner ­Forum), Florian Hochstätter (Baureferat, Gartenbau), Ulrich ­Riedel ­(Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Grün­planung), ­Moderation: Winfried Eckardt, Münchner Volkshochschule, Foto. MGS - Torsten Müller
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Weitere Informationen

Die Giesinger Gespräche werden organisiert durch das Stadtbereichszentrum Ost der Münchner Volkshochschule (Severinstraße 6). Sie finden zweimal jährlich statt.

Am Dienstag, 24. September, 19 Uhr geht es um Möglichkeiten und Methoden der Planungsbeteiligung von Bürgerinnen und Bürgern.

Inhalt

Der Giesinger als barrierefreies pdf.


Eröffnung Pöllat-Pavillon zum Tag der Städtebauförderung

Grünspitz: Zurück zu den Wurzeln

Interview: "Vorab bitte eine Mail"

Debatte: Fußgängerzone im Sommer?

Darf man im Park stinken?

Ois Giasing! 2019

Sirenen in der Tela 155


Der Giesinger, das kostenfreie Stadtteilmagazin der Sozialen Stadt Giesing erscheint zweimal jährlich. Er liegt in Druckform in Gemeinbedarfseinrichtungen sowie in Geschäften entlang der Tela aus.